Knapp 30 Breitensportlerinnen und -sportler von Mitte 20 bis Mitte 60 hatten sich nach monatelanger Vorarbeit durch das Orga-Team um Dorte Kruse, Norbert Kuhlmann, Jan Hagemann und Dirk Meissner von den Drachenbootvereinen “Schachclub Schwarz-Weiß” in Hamburg und den “Seeadlern” aus Gartow einem bisher in dieser Form einmaligen Projekt verschrieben:
790 km von Prag bis Hamburg tags und nachts auf Moldau und Elbe in 40 Teiletappen mit vier rotierenden Teams im 6er-Outrigger durchzupaddeln. Ankunft sollte zum Hamburger Hafengeburtstag am Sonnabend, den 11.05. gegen 15 Uhr sein. Maximal hatte das Team 100 Stunden zeit. Es war von Anfang an klar, dass es keine Wanderfahrt wird, sondern ein sportlich ambitioniertes Rennen gegen die Uhr. Es ging darum, in Grenzbereiche des individuellen menschlichen Leistungsvermögens – ganz normaler sportlich aktiver Menschen – vorzudringen, seine Grenzen zu verschieben, voneinander zu lernen und alle erwarteten und oft genug auch unerwarteten Anforderungen im Team zu bewältigen.
790 km im 6er-Outrigger: Die Reise beginnt
Gestartet wurde nach der gemeinsamen Anreise mit mehreren Teambussen am Dienstag, 08.05. gegen 16 Uhr in Prag-Troja. Von dort beginnend paddelten die vier 6er-Outrigger Teams A-D mit den Steuerleuten Dirk Meissner (Gartow), Jan Hagemann (Arendsee), Jörg Oppor (Groß Wittensee) und Norbert Kuhlmann (Hamburg) sowie rund 20 Paddlern aus dem ganzen Bundesgebiet gegen die Uhr. Jeweils rotierend sollten im Schnitt jeweils rund 2 Stunden und 20 km pro Schicht gepaddelt werden. Begleitet wurden die Sportler zu Lande nach einem ausgetüftelten Logistikplan von den schichtfreien Paddlern und Fahrern mit dem entsprechenden Fahrzeugtross. In der paddelfreien Zeit wurde zum nächsten Ablöse- oder Übernachtungspunkt gefahren, wobei das Schlafen naturgemäß etwas kurz kam. Das Wetter spielte mit, es überwogen mittlere Windstärken, war meist trocken und sonnig.
Das verwendete Boot, ein ca. 200 kg schweres 2-teiliges 13 m langer Outrigger der Marke “Mirage” der Seeadler in ausgesprochen robuster GFK-Bauweise mit großem Beleuchtungspaket erwies sich als das dieser Anforderung in jeder Hinsicht gewachsenes Boot. Es verzieh alle Steinkontakte am Ufer und im Flußbett, leuchtete mit schwenkbaren Scheinwerfern ca. 500 m Sichtfeld aus, überstand auch die höchsten Wellen der Schubverbände und Frachter oder Fahrgastschiffe auf der Elbe und ließ sich auch nach frühzeitig 2 x beschädigten und später verlorenen fußbetätigtem Steuerruder vom Steuermann per Hand mit dem Steuerpaddel steuern. Gute Dienste leistete die Handy-App “Canua” sowie die Funktion Live-Standort von google-maps mit ihren jeweils sehr genauen GPS. Insbesondere nachts und bei eingeschränkter Sicht ist es geradezu unverzichtbar zu wissen, wo genau im Flußbett man sich befindet und wo Gefahrenstellen wie Tonnen und Brückenpfeiler lauern.
Bemerkenswert: Alle auftretenden Probleme wurden bewältigt, alle Beteiligten haben der Anforderung standgehalten, niemand ist ausgefallen oder hat auch nur das Paddel – außer bei Trink-, Ess- oder gelegentlichen Fotopausen – aus dem Wasser genommen. Jede/Jeder hat rund 200 km bzw. 20 Stunden gepaddelt, die Fahrer legten jeweils über 2.000 km zurück, eine rundum beeindruckende Leistung! Entsprechend hoch waren dadurch die in den einzelnen Etappen erzielten Durchschnittsgeschwindigkeiten (je nach Wassertiefe, Fließgeschwindigkeit und Windrichtung) von 9,5 bis zu 13,5 km/h, da wurde also dauerhaft Muskelkraft ans Blatt gebracht.
In nur 92 Stunden war es geschafft
Somit gelang es die Gesamtstrecke abzüglich einer unfreiwilligen 3-stündigen Pause wegen Nebel in 92 Stunden bis zur Hamburger Elbphilharmonie zu bewältigen, wo man am Sonnabend gegen 15 Uhr gemeinsam im Auslegerkanu und einem Drachenboot eintraf. Letzteres kenterte im Hamburger Hafen 100 m vor dem Ziel durch sich aufschaukelnde Kreuzwellen, alle Teilnehmer wurden aber durch die bestens organisierte Wasserrettung von Wasserschutz, Feuerwehr und DLRG schnell und sicher aus dem Wasser geholt und das Boot unbeschädigt geborgen. Der kurze Schreck konnte den Gesamteindruck des Erlebnisses nicht trüben, zeigte aber deutlich das Naturgewalten immer und überall zu respektieren sind.
Der erzielte Schnitt über 92 Stunden betrug somit 8,4 km/h, und zwar incl. aller 39 Anlegemanöver, Teamwechsel, Wartezeiten vor Gierfähren und knapp einem Dutzend Schleusungen bzw. Umgehungen mittels bis zu 2,5 km langen Land-Portagen. Die gemeinsame Freude über das Erreichen dieser Team- und auch persönlichen Leistung war groß. Ermöglicht wurde die Realisierung dieses von allen Teilnehmern privat finanzierte Projekts übrigens durch Unterstützung der Firmen Voelkel Naturkostsäfte GmbH und Mecklenburger Landpute GmbH, die die Getränke und Verpflegung bereitstellten sowie entsprechende Transportfahrzeuge. Das ist keineswegs selbstverständlich, sollte aber durchaus Ansporn auch für andere Firmen sein, denn alle sportlich und hierbei auch organisatorisch aktiven Menschen sind auch für jede Firma eine Bereicherung.
Text und Foto: Jörg Oppor
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